Anzeigen

Nielsens Kaffeegarten Keitum

Wir haben heuze Auszüge aus einem Roman von Maren Marten zugesandt bekommen. Der Roman spielt zwar nicht nur auf Sylt, aber auch. Gerne stellen wir den Syltfans die Stellen aus dem Roman vor die auf Sylt spielen.

Das schreibt der Verlag:

Belustigende und zwecklose Versuche meinerseits gegen: „Hilfe, meine Hose rutscht“. Ein unfreiwillig fettloses Leben als Hungerhaken und Schälrippe mit „Achim“ und anderen Hofbewohnern, wie auch der Mutter meiner Kinder ( ? ), tausend Insekten und Mäusen.

Ein Buch voller Episoden aus dem „ganz normalen“ Landleben

Mehr Infos unter

Hier die "Sylter Leseprobe":

 

Im Urlaub sind die meisten Menschen immer so wunderbar entspannt. Da darf jeder endlich fröhlich sein, ach ja. Zu Hause darf das auch jeder, will wohl nur nicht jeder. Für ein paar Tage fahren wir zu meiner Nordseelieblingsinsel Sylt, auch meine zweite Heimat und dort war es ein wenig windig. Leicht windig bis orkanartig windig, also nichts Außergewöhnliches. In der eigenen Heimatstadt würde dieser Wind zum Vernageln der Fenster an den Wohnhäusern führen. Hier auf der Insel stört sich niemand daran, im Gegenteil. Auch hier sitzt der Großteil der Urlauber draußen, wie wir auch. Von Frisur keine Spur und dennoch glücklich sitzen wir und der Rest der Urlauber in den Straßencafes und haben Spaß wie der Teufel, weil die gefüllten Zuckerspender, die aus Glas, durch die Windböen von den Tischen gefegt werden. Die Sahne auf dem Apfelkuchen am Nachbartisch hebt bei der nächsten Windbö ab und landet zwei Tische weiter im Aschenbecher. Ein Rest davon hängt noch an Achims Nasenspitze. Niemand stört sich daran, im Gegenteil. Dann wird der Kaffee eben ohne Zucker getrunken. Dann wird der Apfelkuchen eben ohne Sahne gegessen. Schließlich ist man hier im Urlaub und alles ganz easy. Zu Hause würden diese relaxten Urlauber das aber nicht mitmachen. Da würde gemeckert, getobt und darüber diskutiert, wie grausam und ungerecht die Welt doch ist. Dabei scheint immer noch die gleiche Sonne. Wir hatten für unser Urlaubsquartier zwei Haustürschlüssel und zwei Zimmerschlüssel erhalten. Meine steckte ich in die Tasche. Der Achim aber teilt alles mit mir und so trennte er von seinen beiden Schlüsseln einen vom Ring ab und reichte ihn mir.

„Der ist für dich.“

Den anderen drehte er an seinen eigenen Schlüsselbund, an den mit den Schlüsseln von zu Hause.

„Ich habe doch schon meinen Schlüssel.“

„Aber ich brauche doch auch nur einen.“

„Fragt sich nur, ob du jetzt nicht mehr ins Zimmer oder ins Haus kommst.“

Lange Pause.

„Ach so.“

Also drehte er irgendeinen Schlüssel von seinem Heimatschlüsselbund wieder ab, um ihn mit dem, den er mir gereicht hatte, wieder zusammen an den Ring für unsere Unterkunft zu stecken. Dann gehen wir und er will die Tür abschließen.

„Mein Schlüssel passt nicht!“

„Wahrscheinlich ist die Tür ( da aus Holz ) nur verzogen.“

Aber der Schlüssel passt auch am nächsten Tag nicht und Achim will den Vermieter informieren. Vorher wollen wir aber lieber noch die Schlüssel miteinander vergleichen, weil wir ja tierisch intelligent sind. Sein Schlüssel sieht echt anders aus. Er hat ganz andere Zacken.

„Der gehört bestimmt zu einem anderen Zimmer.“

Da wir ja noch meinen Zimmerschlüssel haben, lassen wir die Sache auf sich beruhen. Am nächsten Morgen springt Achim aus dem Bett.

„Ich habe eine Idee!“

Er probierte sämtliche Schlüssel an seinem Heimatschlüsselbund am Schloss der Zimmertür aus und siehe da, einer passte. Der, der vorher nicht in die Pensionszimmertür passte, war unser eigener Haustürschlüssel. Da hätten wir zu Hause blöd geguckt.

 

 

 

Das Flüstern der Dünen

 

„Komm mit mir nach Sylt, für ein paar Tage oder auch gerne für ein paar Wochen. Du kannst bei mir wohnen. Vielleicht kommst du dort auf andere Gedanken.“

Rike stand mit Holger Nilsen vor den Blumenbergen und den Kränzen, die ihr allzu sehr verdeutlichten, dass Alex tot war. Er hatte den Kampf gegen seine Krankheit am Ende doch verloren. Rike konnte keinen klaren Gedanken fassen. Ihr Schmerz über diesen Verlust saß zu tief. Ohne Alex zu sein, konnte sie sich nicht vorstellen. Holger war von Sylt zur Beerdigung gekommen. Er und Alex waren auf der Insel aufgewachsen. Holger hatte Sylt nie verlassen. Er kannte sich gut in der Geschichte und Natur der Insel aus und arbeitete zur Zeit in der Schutzstation Wattenmeer in Hörnum. Alex dagegen war der Liebe wegen nach Bayern gezogen, verlor dort schnell seine sogenannte Liebe und lernte Rike kennen. Bei Rike war es Liebe auf den ersten Blick. Nach zwei Monaten feierten sie schon Hochzeit, denn sie wussten und fühlten, dass sie zusammen für die Ewigkeit bestimmt waren. Aber bevor ihr Leben richtig begann, erkrankte Alex so schwer, dass seine Tage gezählt waren. Trotz der Entfernung zu Sylt, hatten Alex und Holger sich nie aus den‚Augen verloren und hielten ständig Kontakt miteinander. Rike sah Holger zum ersten Mal. Was sollte sie auf Sylt? Die Insel war so weit weg, so weit weg, wie Alex nun auch.

„Komm mit Rike. Du hast nichts zu verlieren.“

Tatsächlich war Rike zur Zeit ohne Arbeit und die gemeinsame Wohnung von Alex und ihr, konnte sie kaum betreten. Seit ein paar Tagen schlief sie bei ihrer Freundin Inge, was auf Dauer keine Lösung war.

„Sylt?“

Holger nickte.

„Ich pack Dir ein paar Sachen zusammen. Du kannst im Auto warten. Hier kannst Du im Moment nicht mehr viel tun. Vielleicht schmerzt der Verlust dich nicht so sehr, wenn ich dir zeige, wo Alex aufgewachsen ist und glücklich war.“

Rike war müde und Rike brauchte irgendeinen Halt. Sie hatte keine Geschwister und ihre Eltern waren bei einem Flugzeugabsturz vor fünf Jahren umgekommen.

 

( Echt dramatisch, ich weiß )

 

Sie ließ sich von Holger zum Auto begleiten und zusammen fuhren sie zu ihrer Wohnung. Rike wartete im Auto, während Holger anhand von Rikes Beschreibung ein paar Sachen zusammen packte. Auch Holger schmerzte der Verlust seines besten Freundes sehr und hier in der Wohnung waren viel zu viele Erinnerungen an Alex, die ihm teilweise auch fremd waren, ihm aber trotzdem weh taten. Mit zwei vollgestopften Taschen mit Rikes Klamotten floh er aus der Wohnung und rannte die Treppenstufen nach unten. Er verstaute die Taschen im Kofferraum, setzte sich hinter das Steuer und fuhr los, Richtung Sylt, nach Hause. Rike starrte noch einige Zeit aus dem Fenster und überließ sich dann der bleiernen Müdigkeit. Sie schlief tief und fest bis Hamburg. Dort machten sie eine kleine Rast, tranken einen Kaffee und fuhren wortlos weiter. Rike war noch nie auf Sylt gewesen. Sie und Alex hatten erst für später eine Reise auf diese Insel geplant. Kurz vor Niebüll wurde Rike unruhig. Sie hatte mehrfach das Schild Autozug SYLT gelesen. Sie fing an, die Heimat von Alex zu spüren und damit auch seine Nähe. Holger lächelte ihr sanft zu.

„Wir sind gleich am Autozug und werden dann verladen.“

Bei der Verladung war Rike hellwach. Ein schwaches Gefühl von Freude machte sich in ihrem Bauch breit. Sie öffnete das Autofenster und eine frische Brise der Nordsee wehte durch ihr Haar. Sie atmete tief ein und blickte in den blauen Himmel, der nur von ein paar Wolken durchzogen war. Möwen flogen vorbei mit viel Gekreische. Aus den Lautsprechern am Bahngleis ertönte eine Stimme mit Anweisungen zum Verhalten bei der Überfahrt über den Hindenburgdamm und der Zug setzte sich ruckartig in Bewegung.

„Es dauert eine Weile, bis du das Meer sehen kannst. Wir fahren erst eine Strecke über Land.“

Rike sah Holger von der Seite an, eigentlich zum ersten Mal. Sie sah seine freundlichen Augen und sein sanftes Lächeln, die wie ihre eigenen von Trauer erfüllt waren, aber auch mit diesem Glücksschimmer, bald wieder zu Hause zu sein. Rike war nun doch ein wenig gespannt und abgelenkt. Der Zug ruckelte langsam über die Schienen. Die Landschaft und die Häuser waren so ganz anders als in Bayern. Eine unbekannte Form der Ruhe gaben sie an Rike weiter.

„Da vorn, es geht gleich los.“

Rike sah platte Wiesen mit Schafen, Windräder und endlich... die Nordsee. Aber sie war so ruhig und für ihre Vorstellung, mit recht wenig Wasser gefüllt.

„Sie sieht so leer und ruhig aus.“

Holger lachte.

„Keine Sorge. Das ist nur die eine Seite von der Insel. Auf der anderen Seite ist viel mehr los. Hier siehst du eher den ruhigern Part.“

Rike entspannte sich immer mehr und genoss die ruckelnde Fahrt über den Hindenburgdamm. In der Ferne konnte sie schon die ersten Häuser der Insel erkennen.

„Dort, siehst du? St. Severin. Die Kirche von Keitum. Dort haben Alex und ich oft Dummheiten angestellt.“

Tränen kullerten aus Rikes Augen. Holger legte den Arm um ihre Schulter und zog sie sanft zu sich herüber. So blieben sie sitzen, bis der Zug in Westerland einfuhr. Holger griff wieder mit beiden Händen an das Steuer, startete den Motor und fuhr langsam vom Autozug. In einer langen Autoreihe schoben sich die Autos nun Stück für Stück vorwärts, um an der nächsten Kreuzung in allen Richtungen zu verschwinden. Der erste Eindruck von Westerland war nicht so romantisch, fand Rike, aber sie wollte Holger nicht verletzten. Gut so, denn nun fuhren sie Richtung Hörnum, am Rand von Westerland vorbei. Hohe Dünen auf beiden Seiten der Straße tauchten auf, so weit Rikes Augen reichten.

„Sie sind wunderschön.“

„Früher gab es hier sogar eine Inselbahn, aber die habe ich auch leider nicht mehr erlebt. Wir sind bald in Rantum. Danach kommt erst Hörnum.“

Rike saugte die Landschaft der Dünen förmlich in sich auf. Ab und zu konnte sie auf der linken Seite einen Blick in das Wattenmeer erhaschen. Die ersten Häuser von Rantum tauchten auf. Eben dieser typische und gemütliche Friesenstil.

„Es gefällt mir hier, glaube ich.“

„Mit Alex bin ich hier überall sehr oft gewesen. Wir waren als Kinder viel mit dem Rad oder zu Fuß unterwegs“.

Ein par Minuten später erreichten sie Hörnum.

„Nun sind wir am südlichen Ende der Insel angekommen. Hier lebe und arbeite ich. Rike sah ein paar Läden, dann den Leuchtturm und davor bog Holger rechts ab und hielt vor einem Haus.

„Hier wohne ich, aber komm. Ich zeige dir erst das Meer.“

Sie stiegen aus und Holger reichte ihr eine Jacke. Stillschweigend gingen sie die Straße entlang, zu einem Weg zwischen den Dünen. Der Sand rieselte ihr sofort in die Schuhe. Sie blieb stehen und zog die Schuhe aus. Holger hatte seine ebenfalls schon in der Hand.

„Ich kann das Meer hören!“

Und dann sah sie es, in seiner ganzen Pracht und Schönheit. Den endlos langen Strand und den weiten Blick bis zum Horizont. Rike lief los und lachte, warf die Arme in die Luft und sprang mit den Füßen in die nächste Welle. Diese hatte sie leicht unterschätzt und war sofort bis zu den Knien nass. Sie bemerkte es kaum. Holger gesellte sich langsam zu ihr.

„Danke,“ sagte Rike.

In dieser Nacht schlief sie tief und fest und träumte von Alex, wie er mit ihr durch die Dünen lief und wie sie zusammen dabei lachten. Am Morgen war ihr Kissen von Tränen getränkt. Holger brachte ihr das Frühstück ans Bett, bevor er zur Arbeit ging.

„Geh an den Strand, dort wo die Tetrapoden sind, diese vierarmigen Betonklötze. Du wirst sie finden. Die Flut vergangene Nacht wird wundeschöne Schätze aus dem Meer an den Strand gespült haben. Du hast bis mittags Zeit, sie zu finden, dann setzt die Flut wieder ein. Wenn du mich brauchst, weißt du, wo du mich findest.“

Dann war sie allein. Sie frühstückte mit Appetit, was sie schamlos fand, da sie Alex sehr vermisste. Dann machte sie sich auf den Weg zum Strand. Sie fand schnell diese Betonklötze, von denen Holger gesprochen hatte und wie er sagte, sah sie dort jede Menge Steine und Muscheln, die über Nacht von der Flut an dem Strand gespült worden waren. Noch erblickte sie kaum Menschen am Strand und es war auch noch recht kühl, aber sofort fing Rike an, sich für die Steine zu interessieren. Viele nahm sie in die Hand und warf sie ins Meer zurück. Viele steckte sie in ihre Taschen, bis diese ganz ausgebeult und schwer waren. Dann sah sie ein seltsames Ding zwischen den Steinen. Neugierig nahm sie das Objekt in die Hand. Es sah wie eine alte Tafel aus, oder wie so ein Zinnteller, doch eher eine Tafel. Sie drehte und wendete es, spülte den Sand im Meer ab und entdeckte Buchstaben, die vielleicht früher einen Spruch gebildet haben müssten. Sie las etwas von:

 

... Wellen ... kreuzen, gehe ... acht ... Zeichen ... Schatz ...

 

Rike musste unwillkürlich lachen. Sie hielt doch nicht etwa eine alte Schatztafel in ihren Händen? Nein, das wäre einfach zu unrealistisch, aber dennoch, sie könnte zu Holger gehen und sie ihm zeigen. Also machte sie sich auf den Weg. Holger saß vor Landkarten und diskutierte mit einem Kollegen. Rike wartete. Als Holger sie mit der Tafel in der Hand sah, musste er lächeln.

„Deine Schatzsuche am Strand war wohl erfolgreich!?“

Rike kam sich ein wenig lächerlich vor, als sie ihm ihr Fundstück entgegenhielt.

„Aber hallo! Das ist ja wirklich seltsam. Es scheint recht alt zu sein. Auf der Suche nach mehr Licht ging Holger zum nächsten Fenster und hielt die Tafel hoch, um sie von allen Seiten anzusehen.

„Hauke Hellige. Das ist ein Ding!“

Er sah zu Rike.

„Es gab mal einen Hauke Hellige auf der Insel vor knapp 150 Jahren. Er war dafür bekannt, mit Leuchtfeuern die Schiffe an den Strand gelotst zu haben, um sie dann zu plündern, was er auch erfolgreich getan hat. Er hat die Matrosen und Kapitäne dieser Schiffe von seinen Leuten ermorden lassen und hat das Diebesgut dann an die Insulaner weiterverkauft. Angeblich hat er damals Schmuck und Juwelen hier irgendwo auf der Insel versteckt. Aber das ist nur so eine Geschichte oder Legende und bisher hat hier auch niemand etwas gefunden. Ist wie gesagt bestimmt nur so eine Erzählung. Wenn du magst, suche ich dir heute Abend zu Hause etwas über Hauke Hellige aus meinen Unterlagen heraus.“

Rike war von seiner Erklärung ganz berauscht, obwohl sie ebenfalls an so einen Schatz nicht glauben wollte. Sie ließ die Tafel bei Holger und machte sich auf, zu  weiteren Inselerkundigungen. Von Stunde zu Stunde konnte sie Alex immer besser verstehen. Es fiel ihr fast leicht, diese Insel zu lieben, so wie Alex sie geliebt hatte, da diese Insel anfing, ihrer trauernden Seele nun tatsächlich einen Anflug von Frieden zu geben. Als Holger nach Hause kam, hatte er gleich eine Überraschung parat.

„Kris, mein Kollege hat sich die Tafel angesehen und den Spruch auf dieser zusammengestellt. Er geht aus alten Unterlagen hervor. Demnach müsste auf der Tafel folgendes stehen:

 

wo die wellen sich kreuzen, kehre landeinwärts

achte auf die zeichen zum schatz

 

Du hast vielleicht einen Hinweis auf den verborgenen Schatz von Hauke Hellige gefunden. Das wäre ja was! Aber so recht glauben kann ich es nicht. Der Kris auch nicht, aber er wäre bereit, sich nächste Woche damit zu beschäftigen. Zur Zeit hat er noch so viel im Wattenmeer zu tun. Also, wenn du solange bleiben möchtest, können wir uns ja nächste Woche auf die Schatzsuche machen.“

Rike fand das alles recht merkwürdig, war aber auch ein wenig neugierig. Auch hatte sie sich noch keine Gedanken gemacht, wie lange sie bleiben wollte und würde.

„Warum nicht? Ich würde gerne ein wenig bleiben und die Insel kennen lernen und sehen, wo Alex überall war, solange ich dir nicht zur Last falle.“

„Bleib, solange du willst. Du fällst mir nicht zur Last. Mach dir keine Gedanken.“

 

Am nächsten Morgen war Rike wieder früh am Meer und ging den Strand entlang in Richtung Odde zur Südspitze. Dort angekommen bemerkte sie etwas Merkwürdiges. Hier trafen die Wellen ganz seltsam aufeinander. Richtige Strudel bildeten sich hier. Es sah gefährlich aus, wie die Wellen sich kreuzten.

 

wo die Wellen sich kreuzen, kehre landeinwärts...

 

Das hatte doch auf dieser Tafel von diesem Hauke Hellige gestanden. Ob er diesen Ort beschrieben hatte. Rike drehte sich um und ging landeinwärts auf die kleinen Dünen zu, die sie mühelos überwand.

 

achte auf die Zeichen...

 

Sie sah sich um. Zur rechten Seite konnte sie den Leuchtturm erkennen, aber sie entschied sich dazu, weiter geradeaus und landeinwärts zu gehen, bis sie auf ein Zeichen stoßen würde. Dabei fragte sich Rike leicht lächelnd, was sie hier eigentlich machte. Ein Zeichen finden. Ob das nicht ein wenig lächerlich war? Rike schlenderte weiter durch die Dünenlandschaft bis sie fast über einem Kreis mit Steinen stolperte. Es waren genau sechs Steine, so große Findlinge, die wie angeordnet einen Kreis bildeten. Sie konnte sich kaum vorstellen, das diese hier schon seit über einhundert Jahren liegen sollten und ein besagtes Zeichen darstellen würden. Sicher hatten hier nur ein paar Kinder gespielt, aber dennoch sah sie sich neugierig um. Ein einzelner Stein schien wirklich alt zu sein und passte nicht wirklich zu den anderen. Sie bückte sich und rollte diesen mühsam zur Seite. Auf der Rückseite erkannte sie tatsächlich ein Zeichen. Dieses hatte sie schon einmal gesehen und versuchte sich zu erinnern. Genau, in diesen Landkarten war dies das Zeichen für ein Hügelgrab. Holger hatte gleich am ersten Tag Rike eine illustrierte Touristinformation über Sylt in die Hand gedrückt, damit sie wusste, was es auf der Insel gab und sie es sich ansehen konnte. Es gab auf der Inselkarte unter anderem ein Hügelgrab in Keitum.

„Na, dann los,“ sagte sie zu sich selbst.

Mit dem Bus fuhr sie also nach Keitum, suchte sich dort ein kleines Restaurant, stillte ihren Hunger und Durst und machte sich dann auf zum Hügelgrab. Es war ein wunderschöner Weg und sie vergaß vorübergehend all ihre Trauer um Alex. Das war ihr selbst noch gar nicht aufgefallen, aber die Landschaft war einfach nur schön und zog sie in den Bann. Hier war es ganz anders, als auf der Westseite der Insel. Welche Seite Alex wohl mehr geliebt hatte. Falls sie nun auf dem richtigen Weg der Schatzsuche sein sollte, müsste sie hier nun irgendein Zeichen erkennen. Sie setzte sich an den Wegesrand und lauschte dem sanften Wind. Von der Ferne hörte sie Kirchenglocken und konnte sogar die Kirche erkennen. St. Severin, hatte Holger gesagt. Rike dachte an die Totenmesse von Alex. Nun wurde sie doch traurig und müde und wunderte sich plötzlich, hier allein in Keitum zu sitzen. Die sogenannte Schatzsuche verlor für sie ihren Reiz. Sie brauchte einen Kaffee. Das nächste Cafe war rappelvoll, aber sie wollte nicht weiter. Sie war auf einmal so schrecklich müde und hatte Mühe ihre Fassung nicht zu verlieren.

„Ich vermisse dich so, Alex...“

An einem Tisch sah sie noch zwei freie Plätze und ging darauf zu.

„Ist hier noch frei?“

Achim nickte und ich ebenfalls. Rike setzte sich zu uns an den Tisch und wir kamen schnell ins Gespräch. Offenbar suchte sie etwas, wusste nur nicht was und sie sah irgendwie traurig aus. Sie tat mir einfach leid und so fing ich blöd an drauf los zu plappern, was eigentlich Achims Hobby ist, um sie irgendwie abzulenken.  Ich erzählte von meinem witzigem Fund, einem Stein, den ich vor einer halben Stunde am Hügelgrab gefunden hatte. Auf diesem Stein stand umständlich geschrieben ein Name, Hauke Hellige. Ich zeigte ihr den Stein. Sie war wie weggetreten. Ich plapperte weiter, dass dies lustig sei, da wir einen Hellige kennen würden. Zwar hieß der nicht Hauke, aber so ähnlich. Außerdem wäre in der Nähe ein Heimatmuseum der Insel und da hätten wir etwas über einen Hauke Hellige gelesen, der angeblich so eine Art Pirat auf Sylt vor langer Zeit gewesen sein soll. Ziemlich interessant alles und ganz bestimmt eine ferne Verwandtschaft von unserem Bekannten. Den Stein würde ich aber für so ein nachgemachtes Andenken halten. Auf der Rückseite war auch eine Abbildung von der St. Severin Kirche. Angeblich läge dort der Hauke Hellige begraben.

 

Rike war wie gefesselt von meinem Gequassel. Sie hielt mich bestimmt für völlig überdreht, denn sie verabschiedete sich nach ihrem Kaffee recht schnell von uns und machte sich auf den Weg nach St. Severin. Dort angekommen suchte sie unter den wenigen Gräbern nach dem von Hauke Hellige. Nach einiger Sucherei fand sie aber nur eine Gedenktafel ein wenig abseits. Dort stand wirklich sein Name. Unterhalb der Gedenktafel lagen ein paar kleinere Steine aufeinander gestapelt und Rike konnte einen weißen Papierzipfel zwischen ihnen erkennen. Sie bückte sich, räumte die Steine beiseite und fand einen Brief. Ihr stockte der Atem. Ihr Name stand auf dem Briefumschlag und die Handschrift war die von Alex. Für ein paar Sekunden setzte ihr Herz aus. Mit zitternder Hand öffnete sie den Umschlag und nahm den Brief heraus.

 

Meine geliebte Rike,

 

Du hast also meinen Brief an Dich gefunden. Dafür danke ich Holger, der diese fingierte Schatzsuche für Dich erst ermöglicht hat. Er hat die erforderlichen Spuren ausgelegt, um Dich auf andere Gedanken zu bringen. Sei nicht traurig über meinen Tod. Du bist nun auf der Insel meiner Kindheit und Du wirst kaum einen Platz finden, an dem ich nicht war. Bleibe hier auf der Insel, bleibe auf SYLT und bleibe bei Holger. Hier wirst Du niemals einsam sein, denn ich bin immer und überall allgegenwärtig und die Schönheit der Insel wird Dich ganz sicher verzaubern. Holger wird Dich auf Händen tragen, wenn Du es wünscht. Bleib eine Weile und lass die Insel Deine Trauer fortwehen und lausche dem Wind. Du kannst mein Flüstern in den Dünen hören. Ich liebe Dich und ich bin immer da.

 

In ewiger Liebe, Dein Alex

 

Rike saß noch lange neben der Gedenktafel und lauschte dem Wind. Ich hatte ihr den Stein überlassen, den ich am Hügelgrab gefunden hatte, da er ihr eine Menge zu bedeuten schien. Eigentlich schade, da ich diesen nun nicht mehr als Beweis für diese seltsame Hellige Verwandtschaft hatte, aber dieser Stein schien für Rike ziemlich wichtig gewesen zu sein. Es war sicher die richtige Entscheidung. Bevor Achim und ich dann später wieder Richtung Pension fuhren, sagte Achim:

„Ich esse vorher noch etwas, damit ich nicht mit leerem Auto im Bauch fahren muss.“

 

 

Ich glaube, dass ich schon genug über Delphine geschrieben habe, möchte aber doch erwähnen, dass ich wieder einen Delphin gefunden habe. So ein plattes Ding aus Plastik, groß wie eine Hand. Lag da einfach vor meinen Füßen im Sand. Ist schon komisch. An diesem Abend sitzen Achim und ich noch am Strand und bewundern den Sonnenuntergang. Versonnen blicken Achim wir auf das Meer und die endlose Weite bis zum Horizont. Hier flattern echt alle Sorgen davon. Auf einmal da.... Plötzlich eine Flosse, die aus dem Meer auftaucht. Achim und ich im Chor:

„Ein Delphin!“

Immer wieder taucht er auf und unter, aber es gibt in der Nordsee doch keine Delphine. Es ist wohl so ein kleiner Schweinswal, der uns hier verarscht oder uns aber die Illusion schenkt, einen Delphin zu sehen. Finde ich super. Das bekommt er auch wunderbar hin. Er schwimmt ununterbrochen ganz in Strandnähe von rechts nach links, wendet nach ein paar Metern, um wieder von links nach rechts zu schwimmen und achtet darauf, in unserem Sichtbereich zu bleiben. Nach einer halben Stunde, die wir völlig berauscht sein Hin- und Hergeschwimme verfolgt hatten und dabei unsere Halsmuskeln gedehnt und gelockert hatten, drehte er ab und verabschiedete sich von uns, um in der Tiefe und der Weite  der Nordsee zu verschwinden.

 

Später lese ich etwas mit Verwunderung in einem Artikel über Lebewesen in der Nordsee. Das habe ich echt nicht gewusst! In dem Artikel steht, dass die Unterwasserwelt der Nordsee mit einer erstaunlichen Vielfalt an Lebensfülle überrascht. Auf einer Fläche von 575 000 Quadratkilometern leben nicht nur sechs verschiedene Robbenarten und Seehunde, sondern auch unzählige Fische, Quallen, Krebse, Schnecken, Muscheln und ganze 30 Wal- und Delphinarten!!!!  Aber Hallo!

 

 

Anstatt mich meinem Alter entsprechenden Schweißausbrüchen hinzugeben, friere ich lieber. Daher brauche ich auch so eine Fleece-Jacke, so eine etwas längere wie kurz, auch tailliert nach Möglichkeit und eben länger, so über den Po und noch ein wenig länger, so bis zum Knie. Ich zerre so ein Teil in Größe S von der Stange. Sitzt eben irgendwie eng, ist aber schön lang. Da kann ich auch Hosen drunter anziehen, die keinen Hintern machen und die Beine weg schummeln. Der Achim:

„Die ist zu eng!“

Der Verkäufer, so um die zwanzig Jahre jung, groß und gutaussehend, schüttelt den Kopf und grinst. Also einmal zu eng und einmal grins. Ich zerre Größe M von der Stange. Ich habe deutlich mehr Platz in dem Teil und kann noch jede Menge Rollis drunter ziehen. Der Achim:

„Die ist besser.“

Der Verkäufer schüttelt den Kopf und grinst. Also wieder einmal ja und einmal schüttel. Männer! Bisher habe ich mich in dem Teil selbst noch nicht gesehen. Will ich auch nicht, weil ich keinen BH anhabe und mein kleiner Busen klein ist und mich dadurch nicht fetter aussehen lässt. Ich brauche keinen Spiegel, habe ja die zwei Typen.

„Welche Größe soll ich denn jetzt nehmen?“

Der Achim hält Größe M in die Luft und nickt. Der Verkäufer hält Größe S in die Luft und grinst. Achim hin und Achim her. Ich zeige auf den Verkäufer.

„Gekauft!“

Der Verkäufer grinst noch breiter. Und als ich das Teil zu Hause noch einmal anziehe und es Achim zeige, grinst der auch.

„Macht irre schlank!“

 

Nach unserem Urlaub wieder zu Hause, reden wir abends noch einmal über den Schweinswal in der Nordsee. Nebenbei läuft der Fernseher. So ein Musiksender für Erwachsene mit entspannendem Sound. Es ist witzig, aber genau in dem Moment, in dem wir über diesen Schweinswaldelphin reden, kommt ein Lied, bei dem Delphine schwimmend im Meer gezeigt werden. Da soll es ja Menschen geben, die so etwas gar nicht bemerken, weil, das passiert doch auch anderen und nicht nur uns, oder?

 

 

Wir sind irgendwie reif für die Insel. Insel kann nur SYLT bedeuten. Wir buchen vier Übernachtungen und ich packe die Koffer. Sonntag soll es losgehen. Es ist Samstag, wir haben Mittag gegessen, die Koffer sind gepackt, wir hängen dumm rum und warten, dass wir fahren können. Ist mir zu blöd. Ich rufe die Vermieterin an und frage, ob das Zimmer schon frei ist. Ist es.

„Wenn wir jetzt sofort fahren, bekommen wir noch den letzten Zug auf die Insel.“

Das sage ich so denkend laut nebenbei. Der Achim stürmt an mir vorbei und schleppt die Koffer und Kisten ins Auto. Wir rasen vom Hof und hinterlassen fragende Gesichter. Wir schaffen sogar noch den vorletzten Zug. Die Straßen und Autobahnen waren alle frei. Endlich auf dem Autozug angekommen und verladen, kommt mir so der Gedanke,

>> hatte der Achim nicht schon Bier getrunken???? <<

„Hattest du eigentlich schon viel Bier getrunken? Ich meine, konntest du noch fahren?“

Er grinst.

„Können ja, aber wenn du so fragst, nee, dürfen nein.“

Da hatten wir echt nicht dran gedacht. Wir hatten nur die Insel im Kopf. Mamamia!!

Aber jetzt waren wir da und glotzten versonnen in die Nordsee. Sämtliche Sorgen verpuffen dabei auf der Stelle. Die Schultern sacken zehn Meter nach unten. Frische Nordseeluft. Man könnte heulen. Wir latschen uns die Füße wund im Sand und fressen wie Verhungernde. Frischer Fisch!! Ich meine so richtig frischen Fisch. Fisch der nicht stinkt. So etwas gibt es, ja echt!! Der Geschmack von frischem Fisch ist unbeschreiblich und ziemlich fremd, wenn man in der Mitte von Deutschland lebt, wo der Fisch immer am Geruch zu erkennen ist. Hier stinkt nichts. Hier schmeckt es einfach nur. Ich habe schon einen Krabbenkopf und eine Lachsfarbe. Mein Bauch wölbt sich gefährlich nach vorn, so fünfter Monat schwanger.

„Noch so einen Lachs bitte...“

Nach diesem Fischgenuss werde ich zu Hause verhungern und in Tränen ausbrechen, wenn ich etwas bekomme, was wie Lachs aussieht, aber nicht so schmeckt und nur gruselig riecht. Ich sollte wieder auf der Insel leben, wie ich es mal kurzfristig vor ( herrjeh ) 32 Jahren gemacht habe. Achim hat auch schon einen Fischkopf, da sieht er, wie alle Leute Heringe in Tüten kaufen. Frische Heringe, Heringe, die nicht riechen und nicht mit einer Tonne Salz konserviert sind. Heringe, die....  ich heule gleich. Ein Hering kostet ein Euro und Achim leistet sich zwei.

„Sind die noch roh?“ frage ich.

„Ja, aber eingelegt.“ Sagt der Hase.

Na dann...

Für mich sehen sie nicht wirklich eingelegt aus, nur irgendwie roh. Können wir ja heute in der Pfanne braten, aber da legt sich der Achim schon einen gekauften Hering auf den Teller und schneidet todesmutig ein Stück ab. Ich finde ihn wirklich ziemlich mutig. Bei aller Liebe zum frischen Fisch, würde ich den rohen Hering aber doch vielleicht lieber ohne Gräten versuchen zu essen. Achim stopft sich das Heringsstück samt Gräten in den Schlund und fängt tapfer an zu kauen. Sein Gesicht verzieht sich. Er würgt. Dann wühlt er mit den Fingern im Mund herum und spuckt anschließend einige Gräten auf den Teller. Dann schluckt er den rohen Hering runter. Er schnauft, er schüttelt sich, er gibt seltsame Geräusche von sich. Mehr will er dann aber doch nicht von dem Hering essen.

„Du machst dich gerade zum Affen.“

Egal, er schüttelt sich weiterhin und fängt an, an seiner Fischliebe zu verzweifeln.

„Schmeckt ganz heftig nach Nordsee.“

„Besser nach Nordsee, als nach altem Hafenbecken!“

Achim braucht Schnaps. Achim hat nicht gekotzt und Achim hat auch keine Fischvergiftung bekommen oder so, denn der Hering war ultrafrisch, fast noch warm. Hafenbeckenwarm. Ein Vitaminschub höchster Klasse. Sushi in vollendeter Form. Der rohe Hering ist schnell vergessen, denn wenig später geben wir uns erneut einer Fischfressorgie hin. Achim übertreibt es etwas und das findet sein Darm nun doch nicht so witzig. Achim schwebt auf Fischwolke sieben und ich überlege, ob wir Klopapier im Auto haben. Für das Klopapier war es dann eine halbe Stunde später zu spät, als wir friedlich durch die Dünenlandschaft schlenderten. Nur noch mit Müh und Not hat Achim ein kleines Restaurant in den Dünen erreicht, bevor seine Hosen hoffnungslos verloren gewesen wären. Also ab nach Hause, umziehen, weiterfressen. Krabben, Lachs, Scholle, Heringe ( gebratene ).

„Ich gehe pinkeln,“

sprach der Achim und verschwand. Eine Minute später war er zurück und ich nicht mehr allein. Ein netter Herr hatte sich an meinen Tisch gesellt und wir steckten schon mitten in einer Diskussion. Achim verteidigt natürlich sofort sein Revier. Fremder Mann stört sich nicht und bleibt. Eine Stunde, zwei Stunden, drei Stunden. War lustig und nett und viel Blabla. Er war auch begeistert von dem frischen Krabben auf Sylt und dem Fisch, den er so super noch nirgendwo bekommen hatte. Als wir uns endlich trennten und nach Hause schlurften, fragt der Achim:

„Kann ich nicht mal eine Minute pinkeln, ohne dass dich gleich jemand abschleppen will?“

Ich: „HÄ?“

So hatte ich das nicht gesehen und so sehe ich das noch immer nicht. Egal. Dann darf er eben nicht pinkeln gehen, wenn er Angst um mich hat. Aber schließlich war ich ja noch da. Ab da hat er dann aber fein aufgepasst und mir so ganz nebenbei einen kleinen Delphin gekauft.... Am nächsten Tag futtern wir weiter. Neben uns sitzt ein Paar mit einem Kleinkind. Das Kleinkind zerquetscht mit seinen kleinen Fingerchen die Marienkäfer, die es auch auf SYLT gibt.

„Marienkäfer weint jetzt. Marienkäfer hat Aua.“

Der Papa schmatzt weiter. Die Mutter ist genervt. Das Kind zerquetscht weiter Käfer. Ich würge. Die Mama schimpft. Das Kind zerquetscht Käfer. Der Papa schaut versonnen zum Horizont. Dann, die Mama fährt mit dem Kind in die Pension, wegen einer Mittagsschlafspause und der Papa wackelt lustig zum Strandkorb. Zurück bleiben zerquetschte Käfer. So stelle ich mir echt einen erholsamen Familienurlaub vor.

 

Jana zu Hause:

„Ich gehe zu Opa.“

„Opa ist im Urlaub.“

„Dann gehe ich zu Oma Maren.“

„Oma Maren ist auch im Urlaub.“

„Dann warte ich vor Omas Haustür. Die kommt da bestimmt gleich raus.“

 

Völlig überfressen verlassen wir schweren Herzens die Insel Richtung Heimat. Unterwegs laden wir unser Auto mit nordfriesischem Gemüse und Kartoffeln voll und Äpfeln und Birnen, die man in Selbstbedienung an diesen Ständen an den Straßen der kleinen friesischen Ortschaften findet. Wirsing und Weißkohlköpfe passen auch noch ins Auto. Die Äpfel riechen nach Äpfeln. Ich will hier bleiben. Hier gibt es richtige Nahrungsmittel. Dann liegen wir wieder im eigenem Bett. Morgens geht der Radiowecker an und „Die Ärzte“ grölen ihren Song:

 

„Oh ich hab solche Sehnsucht.

Ich verlier den Verstand.

Ich will wieder an die Nordsee.

Ich will zurück nach Westerland!“

 

Wie passend, echt witzig. WIR AUCH!!! Wir sind voll auf Entzug.

 

Mittags geben wir uns versonnen dem nordfriesischem Wirsing mit den nordfriesischen Kartoffeln und nordrhein-westfälischer Kaninchenleber mit Zwiebeln und nordfriesischen Äpfeln hin. Weder die Äpfel, noch die Kartoffeln, noch so ein Wirsing lässt sich hier irgendwo in einem Lebensmittelgeschäft kaufen. Und so frischer Fisch schon mal gar nicht. Trotzdem kaufe ich mir tiefgekühlten Lachs für heute Abend und lasse mich nicht unterkriegen. Zu Hause drehe ich und wende ich die Packung. Ich lese: made in China.

 

Ich will zurück nach Westerland! Ich sehe in den Spiegel. Mein Krabbenkopf ist kaum noch zu sehen und meine Lachsfarbe verblasst von Minute zu Minute.