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Insel-Liste zukunft.sylt scheitert mit Klage auf Geburtshilfe

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Es war keine große Überraschung, dass das Verwaltungsgericht Schleswig heute den Antrag der Insel-Liste zukunft.sylt auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zum Erhalt der Geburtshilfe abgelehnt hat.

Erschreckend aus Sicht der Antragsteller ist dabei, dass festgestellt wurde, dass Bürgerinnen und Bürger überhaupt nicht gerichtlich auf Einrichtung oder Erhalt von Krankenhausversorgung klagen können. Nicht nur bei der Geburtshilfe, sondern auch bei anderen medizinischen Versorgungen nicht. 

Die Insel-Liste zukunft.sylt will nun damit beginnen, sich bundes- und europaweit zu organisieren um für gesetzliche Regelungen der medizinischen Versorgung vor Ort zu kämpfen. Sie wollen festschreiben lassen, in welcher Zeit ein Krankenhaus erreichbar sein muss und welche Leistungen flächendeckend in Europa verfügbar zu sein müssen. Hierfür rufen sie Menschen aus anderen Regionen mit ähnlichen Problemen wie schließenden Krankenhäusern oder Geburtshilfeabteilungen auf, sich mit ihnen vernetzen wollen. Kontaktemail: info@zukunft-sylt.de

Nordseeklinik SyltHier die Pressemitteilung der Insel-Liste zukunft.sylt zum Beschluss des Verwaltungsgerichtes Schleswig

(Für den Inhalt ist der Verfasser verantwortlich)

Am 29.01.2014 hat die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts in Schleswig mit der Vorsitzenden Richterin Petersen unseren Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Anordnung zur Verpflichtung auf Erfüllung der im Krankenhausplan 2010 festgeschriebenen stationären Fachrichtungen (Geburtshilfe) abgelehnt, da es keine rechtliche Anspruchsgrundlage gibt:

„Ein subjektiv öffentlich-rechtlicher Anspruch eines privaten Drittbetroffenen gegenüber dem für Krankenhausplanung zuständigen Hoheitsträger auf Einrichtung oder Erhalt einer bestimmten regionalen Krankenhausversorgung besteht unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt.“ ist der Grundtenor der Entscheidung.


Wir würden von dieser Entscheidung aus formalen Gründen nicht wirklich überrascht, da die Gegenseite dementsprechend auch ihre Argumentation auf die fehlende Anspruchsgrundlage fokussiert hat. Uns war es dennoch wichtig, diesen Schritt zu gehen, um sowohl das Land als auch das Gericht um einer Aufklärung der rechtlichen Situation um den Versorgungsauftrag und der generellen klinischen Versorgung in Schleswig-Holstein und insbesonders den Inseln zu bitten.

Deutlich wurde in der Urteilsbegründung Folgendes: Der Versorgungsauftrag, der unsere klinische Versorgung auf Sylt wie auch überall in Schleswig-Holstein beschreibt, regelt ausschließlich das (finanzielle) Verhältnis zwischen Land und den Klinikbetreibern. Das Land hat dabei keinerlei qualitativen Kontrollmöglichkeiten, die Bürger wiederum keinen rechtlichen Anspruch auf eine Versorgung, selbst wenn die Bürger diese im Krankenhausplan beschriebene Versorgung durch ihre Steuergelder und Krankenkassenbeiträge finanziert. Der Versorgungsauftrag und Krankenhausplan gibt den Krankenhausbetreibern die Möglichkeit, Investitionsfördergelder und andere Subventionen zu erhalten, die sie allerdings in keiner Weise verpflichten, in den Betten, die sie vorhalten, auch Patienten zu versorgen.

Dies betrifft alle Abteilungen, ist also keineswegs nur auf die besonders kritische Situation von entbindenden Müttern und ihren Kindern beschränkt. Damit steht es nun allen Klinikbetreibern in Schleswig-Holstein frei, unrentable Abteilungen nach Gutdünken, ohne jegliche Einhaltungen irgendwelcher Fristen und ohne Nennung von Gründen, jederzeit zu schließen. Der Grund dafür ist, dass das Land zwar einen Krankenhausplan aufgestellt hat, dieser aber, laut vorheriger Bundesgerichtshofurteile, nicht einklagbar sei, d.h. er den Bürgern und Bürgerinnen kein einklagbares Recht zuspricht. Diese Planung ist – wie der Name eben sagt – nur ein „Plan“. Er ist kein Gesetz. Dennoch ist dieser Plan insofern von Bedeutung, weil er wiederum durch die Festlegung von Bettenzahlen die Förderwürdigkeit und Förderhöhe der jeweiligen Krankenhäuser bestimmt und daher unserer Meinung nach durchaus mindestens eine vertragsrechtliche Bedeutung hat.

Das Gericht ist auf keinen weiteren Punkt unserer Argumentation eingegangen; da durch diese beiden o.g. genannten Gründe eine weitere Prüfung nicht mehr notwendig war.

Keines unser Argumente, die die Qualität, die Sicherheit und die Verlässlichkeit der Versorgung, geschweige denn die sozialen, medizinischen, logistischen, politischen, grundgesetzlichen und ethischen Gründe betrafen, wurden auch nur von der Kammer betrachtet. Das ist ausgesprochen enttäuschend.

Sie wurden damit allerdings auch nicht entkräftet. Das Land hat in erschreckender und empörender Art und Weise versäumt, mit den Klinikbetreibern verbindliche Regelungen und Verträge zu schaffen, die letztere vertraglich zu einer qualitativ hochwertige Versorgung auch in strukturarmer Regionen verpflichten. Was hilft es da, wenn ein Rettungswagen in 12 Minuten beim Patienten sein muss, das nächste Krankenhaus aber Stunden entfernt ist.

Das dieses nicht nur ein vertraglich-juristisches Problem ist, sondern eine Frage der Denkweise der Politik kann man an dem Satz der Antragserwiderung des Landes erkennen: „All dies ist zwar bedauerlich, indessen letztlich Konsequenz der eigenen Entscheidung auf einer Insel zu wohnen.“

Wir sehen heute, dass Kliniken effektiv zu nichts verpflichtet sind, und wir Insulaner letztendlich ja selbst Schuld sind, wenn wir uns vor einigen Jahren oder Jahrzehnten entschlossen hatten, hier unseren Lebensmittelpunkt zu haben und auch jetzt nicht gehen wollen.

Verantwortlich für diese Misere ist dabei einzig und alleine der Gesetzgeber, der offensichtlich die finanziellen Interessen der Klinikbetreiber höher bewertet als das in Artikel 6 grundgesetzlich festgeschriebene „Mütter genießen besonderen Schutz der Gemeinschaft“.

In der Zeit vom 28.12.2013 bis zum 22.1.2014 wurde eine werdende Mütter von der Insel Sylt ausgeflogen, zwei ohne Begleitung einer Hebamme oder eines Arztes im Krankenwagen z.T. gegen ihren Willen nach Flensburg verlegt sowie zwei Hausgeburten ohne jegliche verlässliche Hintergrundversorgung durchgeführt.

Was muss noch passieren, damit erkannt wird, dass eine Insel mit 20000 Einwohnern und weiteren 150000 Gästen im Sommer eine verlässliche Versorgung Schwangerer und Kinder gewährleistet werden muss?

Aber es stellt sich noch eine zweite Frage: Wie vertrauenswürdig ist ein Klinikbetreiber wie Asklepios, der wohlwissend ob dieser Situation und ihrer Verantwortung, sich um diese einfach drückt und von heute auf morgen eine seit Generationen bestehende Entbindung vor Ort verweigert?

Immerhin hat er Antrag von Insel-Liste zukunft.sylt nun zu mindestens nach vier Monaten endlich rechtliche Klarheit gebracht, das wir Menschen hier auf der Insel wie auch andere in ländlichen Räumen am Ende alleine da stehen.

Unsererseits prüfen wir nun den Gerichtsbeschluss und weitere rechtliche und politische Möglichkeiten, um diesen eklatanten und lebensgefährlichen Missstand zu beheben, bevor es wirklich zu einer Katastrophe kommt.

Sollte diese dennoch eintreten, wird jeder, der diese Mangelversorgung nicht korrigiert hat, die Verantwortung zu tragen haben.

Da der Beschluss gezeigt hat, dass Versorgungslücken nicht nur im Bereich Geburtshilfe bestehen und es nicht nur Inseln treffen kann, bitten wir alle Menschen in Regionen mit ähnlichen Problemen sich mit uns zu vernetzen, damit ein gemeinsamens politisches und auch juristisches Vorgehen bis zur europäischen Ebene geplant werden kann.

Interessierte melden sich bitte per E-Mail an info@zukunft-sylt.de