Die Nordsee vergisst nicht, und manchmal gibt sie zurück, was sie sich genommen hat. Seit Donnerstag bietet sich am Strand von Hörnum ein gespenstisches Bild, das die rohe Kraft des letzten Sturms bezeugt. Auf Höhe des Hapimag Resorts liegt, kieloben in den Sand gerammt, die tonnenschwere Steuerkabine des gesunkenen Lotsenbootes „Sea Dagger“ – ein stählerner Kadaver, an Land geworfen von der See.

Das Wrack ist ein Mahnmal totaler Zerstörung. Wo einst Skipper sicher durch die Wellen navigierten, herrscht nun ein Chaos aus verbogenem Metall und zerschmettertem Glas. Aus den Konsolen quellen dicke Kabelstränge wie die Eingeweide eines toten Wals, eine stumme Anklage an die Gewalt, die hier gewütet hat. Es ist das letzte, brutale Kapitel der „Sea Dagger“, die vergangene Woche unter noch ungeklärten Umständen rund 70 Kilometer vor der Küste sank.

Das größte Glück im Unglück war die dramatische Rettung der zweiköpfigen Besatzung, die unverletzt geborgen wurde, bevor ihr Schiff in den Fluten versank. Eine Kollision, so das zuständige Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt, wird als Ursache ausgeschlossen.

Doch die Überreste des Schiffes treiben als tickende Zeitbomben an die Küste. Bereits am Mittwoch wurden zwei Treibstofftanks bei Rantum angespült, einer davon Berichten zufolge noch zu zwei Dritteln gefüllt. Sie sind eine direkte Bedrohung für das sensible Ökosystem der Insel. Um das Hauptwrack in Hörnum hat sich zudem ein Teppich aus Dämmmaterial und Plastikteilen gebildet, der vom Sturm am Spülsaum verteilt wurde.

Die Bergung des stählernen Kolosses wird zur Herausforderung. Das maritime Lagezentrum in Cuxhaven ist zuständig, doch wann und wie die zertrümmerte Kommandobrücke abtransportiert werden kann, ist völlig offen. Bis dahin bleibt sie eine düstere Attraktion und eine eindringliche Erinnerung daran, wer an dieser Küste der wahre Herr ist.